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„Wunderwaffe“ der Sportorthopädie

Die Ursprünge der fokussierten Stoßwellenbehandlung (ESWT) liegen in der Urologie. Im Februar 1980 gelang es erstmals, einen Nierenstein im Körper eines Menschen durch von außen eingeleitete Stoßwellen zu zertrümmern. Seit Anfang der 1990er-Jahre wird sie mit sehr großem Erfolg auch in der Behandlung von Beschwerden des Bewegungsapparates eingesetzt.

 

Wirkung

Ihre Wirkung beruht dabei nur in geringem Maße auf einem „Zertrümmern“ von pathologischen Strukturen wie z.B. Kalkherden. Stoßwellen zeigen vielmehr ein sehr breites

Spektrum an molekular-zellulären Effekten. Erste Belege zur erfolgreichen Anwendung in der Sportorthopädie zeigten sich in der Behandlung von Pseudarthrosen (nicht heilende Knochenbrüche), bei denen sich durch Stoßwellenbehandlung die Knochenheilung stimulieren ließ. Zeitnah zeigten sich auch in der Behandlung von Sehnenverkalkungen und Sehnenansatzbeschwerden nachweisbare Erfolge. Die ersten „klassischen Indikationen“ waren entsprechend: Verkalkungen in Sehnen, vor allem im Bereich der Schulter), Tennisellenbogen, Fersensporn und nicht heilende Knochenbrüche (Pseudarthrosen). In den Folgejahren zeigte sich in zahlreichen Studien, dass gerade die in der Orthopädie vielfach eingesetzte niederenergetische Stosswelle eine Vielzahl an biologischen Effekten auslösen kann.

 

Aufgrund dieser Studien und der guten Ergebnisse im Praxisalltag auch bei anderen orthopädischen Erkrankungen wurde das Spektrum der Erkrankungen, die in der orthopädischen Praxis mit fokussierter Stosswelle behandelt wurden, erheblich ausgeweitet. Aktuell gehören dazu:

- Pseudarthrosen (nicht heilende Knochenbrüche)

- Stressfrakturen (Knochenbrüche aufgrund einer Überlastung)

- Plantarfasziitis/Fersensporn

- Tendinosis calcarea (Sehnenverkalkungen im Bereich der Rotatorenmanschette aber auch in anderen Sehnen (z.B. Patellasehne, Achillessehne, Sehnen im Bereich der Hand))

- TTendinopathien (Erkrankungen von Sehnen, u.a. Achillodynie, Patellaspitzensyndrom, Epicondylopathia humeri radialis/ulnaris, Schienbeinkantensyndrom, Insertionstendinopathie am

Tuber ischiadicum, Tendinopathie des M. Tibialis posterior etc.)

- Ligamentosen (Erkrankungen der Bänder)

- Muskelhartspann/Myogelosen/Trigger/myofasziale Schmerzsyndrome

- Muskelverletzungen (fokussiert/radial)

- Fasziale Schmerzsyndrome

 

Weitere Indikationen

Einige Autoren berichten zudem über positive Erfahrungen in der Frühphase von Osteochondrosen und Osteonekrosen (wie z.B. Hüftkopfnekrose). Außerhalb der Sportorthopädie erwecken Therapieerfolge in der Behandlung von Erkrankungen der Haut zunehmend Aufmerksamkeit. An erster Stelle zu nennen sind hier Wundheilungsstörungenv. a. beim Diabetiker, aber auch nach Verbrennungen oder Hauttransplantationen, die wahrscheinlich von einer durch die ESWT induzierten Gefäßdilatation und Angionese profitieren.

 

Welche Krankheitsbilder sollten nicht oder mit Vorsicht behandelt werden?

Keine guten Ergebnisse zeigen sich bisher bei Krankheitsbildern, bei denen Entzündungserscheinungen im Vordergrund stehen (z.B. Bursitiden, Tendovaginitiden). Ein Beispiel aus dem Sport ist das Läuferknie (ITBS), bei dem wir, anders als häufiger in der Literatur beschrieben, keine guten Ergebnisse feststellen konnten. Dies erscheint uns auch nachvollziehbar, da es sich beim ITBS um keine Tendinopathie, sondern um einen Reizzustand (häufig mit Begleitbursitis) zwischen Tractus iliotibialis und dem Kondylus lateralis handelt.

 

Praktische Tipps

Der Einsatz der Stoßwellenbehandlung in der Sportorthopädie zeigt viele Parallelen zum sportlichen Training. Wie beim Training erfolgen die biologische Reaktion und die gewünschte Ausheilung im Zeitraum zwischen den Therapiesitzungen und benötigen Zeit. Analog zum Training können zu häufig wiederholte Behandlungen in zu kurzen Intervallen zu schlechten Ergebnissen führen. Das „Wie“ sollte deshalb auf keinen Fall unterschätzt werden.

 

- Exakte Lokalisation: Grundvoraussetzung ist die exakte Lokalisation des zu behandelnden Gewebes mit hochauflösenden Ultraschallgeräten.

- Verwendete Energie: Auch die eingesetzte Energie muss an das vorliegende Krankheitsbild angepasst werden.

 

Bei akuten Krankheitsbildern wird dabei prinzipiell eine niedrigere Energieflussdichte ausgewählt als bei chronischen Krankheitsbildern. Aktuelle Studien geben Hinweise darauf, dass die Therapie mit unterschiedlichen Energieflussdichten zu signifikant unterschiedlichen Ergebnissen führen. Hierin könnte der Grund liegen, dass Studien zur Effektivität der Stoßwellenbehandlung für gleiche Krankheitsbilder zu teilweise sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen.

In unserer Praxis machen wir die Erfahrung, dass die Ergebnisse mit zunehmender Erfahrung des Behandlers besser werden und die ausgewählte Energie je nach vorliegendem sportorthopädischen Krankheitsbild unterschiedlich hoch gewählt werden sollte. So liegt die ausgewählte Energie beim Tennisellenbogen bspw. eher niedrig, bei der chronifizierten Midportion-Achillodynie mit sonografisch gemessenen Sagittaldurchmessern von >10mm vergleichsweise hoch. Meist wird die Therapie mit einer niedrigen Energieflussdichte begonnen und dann im weiteren Therapieverlauf gesteigert.

 

Handling in der Sitzung

Innerhalb einer Sitzung empfiehlt es sich, im Punkt des Schmerzmaximums zu beginnen, im weiteren Verlauf aber das gesamte Schmerzareal nach schmerzhaften Punkten zu scannen. Interessant sind dabei v.a. Punkte, für die der Patient einen „Memory Pain“ angibt, d.h. dass die ausgelösten Schmerzen während der Behandlung eines Punktes den beklagten Grundbeschwerden ähneln. Der Dialog mit dem Patienten ist daher nicht zu unterschätzen. Bei längerstreckigen Verdickungen von Sehnen sollte das gesamte verdickte Areal behandelt werden.

 

Pausenlänge zwischen und Anzahl von Therapieeinheiten

Die Pausenlänge zwischen den Therapieeinheiten beträgt für die meisten Indikationen fokussierter Stoßwelle ein bis zwei Wochen, sollte aber einen Zeitraum von einer Woche nicht unterschreiten. Die Zahl der Gesamtbehandlungen bei Sehnen- und Sehnenansatzbeschwerden liegt häufig bei ca. sechs Behandlungen, wobei akute Krankheitsbilder deutlich weniger, ausgeprägt chronifizierte Krankheitsfälle teilweise auch deutlich mehr Behandlungen benötigen. Vermeiden von Rückfällen Die Zahl der Rückfälle sinkt deutlich, wenn die Stoßwelle bis zur kompletten Ausheilung eingesetzt wird, was besonders im Leistungssport wichtig ist, wo mehrere Ausfälle meist erheblich schwerer ins Gewicht fallen als eine etwas verlängerte Therapiephase. Um die Anzahl der hierzu notwendigen Therapieeinheiten zu reduzieren, kann es sinnvoll sein, die Pausenlängen zum Ende der Therapie zu verlängern. Sehnenansätze sollten vorzugsweise mit fokussierter Stoßwelle behandelt werden, bei schmerzhafter Verspannung der entsprechenden Muskulatur ist es hilfreich, diese ggf. mit der radialen Stoßwelle oder anderen Geräten wie dem Hypervolt-Gerät aufzulösen.

Schonung nach Stosswellensitzung Eine auf die Stoßwellenbehandlung selbst zurückgehende sportliche Schonungsphase kann unserer Erfahrung nach

kurz gehalten werden (24 Stunden). Natürlich kann es sein, dass aufgrund des Krankheitsbildes Belastungen länger modifiziert oder reduziert werden müssen. Sollte dieses jedoch nicht der Fall sein, führt die Durchführung der Stoßwellenbehandlung selbst zu keinem längerfristigen

zusätzlichen Schonungsbedarf.

 

Erstverschlimmerungseffekte möglich

In einigen Fällen kann es durch die Behandlung zu Erstverschlimmerungseffekten kommen, die selten länger als ein bis zwei Tage anhalten und im Regelfall gut medikamentös behandelbar sind. Auf den weiteren Therapieverlauf haben Erstverschlimmerungseffekte, unserer Erfahrung nach, keinen ungünstigen Einfluss. Im Vorfeld durchgeführte Injektionen mit einem Kortikosteroid im Behandlungsareal führen unserer Erfahrung nach zu einer deutlichen Reduktion des Ansprechens auf die Stoßwellenbehandlung, weshalb wir in diesem Fall sechs Wochen zuwarten, bevor wir mit einer Stoßwellenbehandlung beginnen.

 

Ursachensuche bei Überlastungsschäden wichtig

Einen besonderen Wert hat die Stoßwelle in der Behandlung von Überlastungsschäden im Sport. Hervorzuheben ist hier die sorgfältige Ursachensuche, da diese beitragen kann, Zusammenhänge zu erkennen und die Rückfallquote erheblich abzusenken. Physiotherapie und Akupunktur als ergänzende Therapie Besonders erwähnenswert ist die sehr gute Kombinierbarkeit der Stoßwelle mit Physiotherapie. Häufig kombinieren wir in unserer Praxis zudem die Stoßwellentherapie mit Akupunktur. Triggerpunkte und Akupunkturpunkte zeigen zahlreiche Überschneidungen (in einigen Studien ca. 70% Überschneidung bezüglich der Lokalisation von Akupunktur- und Triggerpunkten).Hierbei unterstützen und beeinflussen sich diese Therapien gegenseitig. Umgekehrt hilft die Kenntnis lokaler Akupunkturpunkte in einem Schmerzareal bei der Suche geeigneter Therapiepunkte, die dann mit der fokussierten Stoßwelle behandelt werden.

 

Fazit

Waren in der Frühphase der Behandlung mit Stosswellen v.a. mechanische Effekte wie die schonende „Zertrümmerung“ von Strukturen zentraler Beobachtungsgegenstand, so verlagern aktuelle Studienergebnisseund Erfahrungen in der sportorthopädischen Praxis das Interesse zunehmend auf molekular-zelluläre Effekte. Unterschiedliche Energieflussdichten zeigen dabei unterschiedliche Effekte. Das „Wie“ und die Erfahrung des Behandlers auch in der Kombination mit anderen Behandlungsverfahren wird dadurch wichtiger. Das Indikationsspektrum auch außerhalb der Sportorthopädie (Dermatologie, Kardiologie) wird in Zukunft größer werden. In der konservativen Sportorthopädie ist und bleibt die Stosswellenbehandlung und hier

hervorgehoben die fokussierte Stosswellenbehandlung ein wichtiger Stützpfeiler v.a. in der Behandlung von Überlastungserscheinungen. Für Sportler interessant wird sie v.a. durch das weitgehende Fehlen relevanter Nebenwirkungen und die (eine begleitende Ursachensuche vorausgesetzt) sehr geringe Rückfallquote nach erfolgreicher Therapie.

 

Praxis Orthopädie + Unfallchirurgie

im ZfS-Zentrum für Sportmedizin

Windthorststr. 35, 48143 Münster, Tel. 0251-1313620

www.zfs-muenster.de


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