Logo

Artikel teilen

Sehnenbeschwerden – Moderne Diagnostik und Therapie

Sehnenbeschwerden sind sehr verbreitet. Noch vor den Gelenkbeschwerden sind sie die häufigste Schmerzursache bei sportlich aktiven Menschen. Schmerzen sind dabei nicht nur unangenehm, sondern stellen auch ein Alarmsignal dar. Unbehandelt können Sehnenbeschwerden v.a. im Bereich der Schulter (Supraspinatussehne) oder der Ferse (Achillessehne) zum Riss der jeweiligen Sehne führen und eine operative Versorgung mit nicht unerheblichen Ausfallzeiten nach sich ziehen. Dr. med. Gerrit Borgmann, Dr. med. Ralph Schomaker und Dr. med. Tim Vogler vom Zentrum für Sportmedizin (ZFS) klären auf über Ursachen, Diagnostik und die effektivsten Therapiemöglichkeiten.

In der oft gelenkzentrierten Orthopädie werden Sehnenbeschwerden, sogenannte Tendinopathien, häufig übersehen. Natürlich kennt jeder die „großen“ Sehnenkrankheitsbilder wie Tennisellenbogen, Fersensporn oder Kalkschulter. Sehnenprobleme an anderen Stellen wie z.B. den Händen

oder Füßen werden hingegen oft übersehen oder in der Praxis stiefmütterlich behandelt. Sehnengewebe ist bradytroph, das heißt es hat einen

langsamen Stoffwechsel. Typisch für erkranktes Sehnengewebe ist daher die langsame Regeneration. Stellen sich Patienten mit chronifizierten Beschwerden vor, dann lassen sich die Beschwerden zwar in der Mehrzahl der Fälle erfolgreich behandeln. Die Therapie ist aber nicht selten komplex und zeitaufwendig und stellt damit Patienten und Therapeuten oft vor eine große Herausforderung.

WAS VERURSACHT SEHNENBESCHWERDEN

(TENDINOPATHIEN)?

Bis vor wenigen Jahren vermutete man eine einfache „Entzündung“ der betroffenen Sehne als Ursache dieser Beschwerden. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts hat sich das Verständnis von Sehnenbeschwerden grundlegend gewandelt. 2003 führten skandinavische Forscher umfangreiche Biopsien betroffener Achillessehnen durch und fanden für viele überraschend keinen Nachweis für eine Entzündung. Anstelle einer „Entzündung“ wurden andere Ursachen der schmerzhaften Sehnenverdickungen identifiziert. Ausgangspunkt der Tendinopathie scheinen Fehlanpassungen der Sehnenzellen (Tenozyten) zu sein. Begleitet wird dieses häufig von einer Einsprossung schmerzleitender Nervenfasern

und Blutgefäßen. In den letzten Jahren hat sich das Verständnis biochemischer Prozesse, die lokal ablaufen, massiv erweitert. Das macht es zum einen komplizierter und für den Behandler

anspruchsvoller, führt zum anderen aber zu neuen, erfolgreichen Therapieansätzen. Ein Beispiel für eine solche neue Therapie ist zum Beispiel die perkutane Elektrolyse, auf die wir unten weiter eingehen.

DIAGNOSTIK: WIE ERKENNT MAN EINE TENDINOPATHIE?

Eine Tendinopathie beginnt häufig mit einer allmählich oder auch plötzlich einsetzenden Morgensteifigkeit und Belastungsschmerzhaftigkeit der betroffenen Sehne (Beispiel: morgendlicher Anlaufschmerz unter der Fußsohle oder über der Achillessehne). Neben dem Bewegungsschmerz

werden eine Druckschmerzhaftigkeit und Anschwellung des betroffenen Sehnenabschnittes beobachtet (Beispiel: spindelförmige Anschwellung der Achillessehne). In frühen Erkrankungsstadien verlieren sich die Beschwerden oft im Tagesverlauf oder unter Trainingsbelastung, um dann am nächsten Morgen wieder aufzutreten. Im weiteren Verlauf ist die Funktion der Sehne auch bei Alltagaktivitäten zunehmend eingeschränkt. Die strahlenfreie Ultraschalldiagnostik mit ihrer hohen Bildqualität ist das bildgebende Verfahren, um Verdickungen der Sehne, Teilrisse oder pathologische Gefäßneubildungen zu erkennen.In der oft gelenkzentrierten Orthopädie werden Sehnenbeschwerden, sogenannte Tendinopathien, häufig übersehen. Natürlich kennt jeder die „großen“ Sehnenkrankheitsbilder wie Tennisellenbogen, Fersensporn oder Kalkschulter. Sehnenprobleme an anderen Stellen wie z.B. den Händen oder Füßen werden hingegen oft übersehen oder in der Praxis stiefmütterlich behandelt. Sehnengewebe ist bradytroph, das heißt es hat einen langsamen Stoffwechsel. Typisch für erkranktes Sehnengewebe ist daher die langsame Regeneration. Stellen sich Patienten mit chronifizierten Beschwerden vor, dann lassen sich die Beschwerden zwar in der Mehrzahl der Fälle erfolgreich behandeln. Die Therapie ist aber nicht selten komplex und zeitaufwendig und stellt damit Patienten und Therapeuten oft vor eine große Herausforderung.

THERAPIE: WIE SIEHT EINE MODERNE SEHNENTHERAPIE AUS?

Die Behandlung von Sehnenbeschwerden liegt im Idealfall in den Händen eines in der Sehnentherapie erfahrenen interdisziplinären Teams aus Arzt, Physiotherapeut, Trainings- und Ernährungswissenschaftler. Wie bereits erwähnt ist mit Beginn des 21. Jahrhunderts die Vorstellung einer zugrundeliegenden „Sehnenentzündung“ verlassen worden und Cortisoninjektionen an Sehnen erfolgen nur noch in sehr seltenen Ausnahmefällen. Therapien, die seit einigen Jahren als Goldstandard gelten, sind die die „fokussierte Stoßwellenbehandlung (ESWT)“ und das physiotherapeutisch angeleitete Training, welches in Eigenregie täglich fortgesetzt wird. Ein ganz neues, sehr erfolgsversprechendes Verfahren ist auch die Perkutane Elektrolyse (PE) und hier insbesondere die EPTE-Therapie. Die drei Therapienformen im Überblick:

  1. Fokussierte extrakorporale Stosswellentherapie (ESWT) Fokussierte Stoßwellen sind kurzwellige Druckwellen mit hoher Eindringtiefe in das Gewebe, ähnlich derer, wie sie zur  Harnleitersteinzertrümmerung genutzt werden.
  2. Exzentrisches und isometrisches physiotherapeutisches Krafttraining Hierbei stellen Spannungsreize für die Sehne einen wichtigen therapeutischen Faktor dar. Zur Anwendung kommt u.a. exzentrisches und isometrisches Training mit hohen Lasten. Charakteristisch für das exzentrische Krafttraining ist, dass der Muskel, während er arbeitet, „auseinandergezogen“ wird, d.h. Ansatz und Ursprung des Muskels entfernen sich während der Übung voneinander. Exzentrisches Training zeigt in Studien zudem einen günstigen Einfluss auf das krankhafte Einwachsen von Gefäßen in die Sehne. Je nach Stadium werden auch isometrische oder konzentrische Übungen integriert. Beim isometrischen Training hält der Muskel über einen längeren Zeitraum (45-60 Sekunden) eine hohe Spannung, ohne dass es dabei zu einer Gelenkbewegung kommt. Entscheidend ist dabei die sogenannte „Time under Tension“, das heißt die Zeit, in der ein hoher Spannungsreiz auf die Sehne einwirkt.
  3. Perkutane Elektrolyse (PE) und hier insbesondere die EPTE-Therapie Dieses neue Verfahren wurde in Spanien entwickelt und zeigt sehr gute Therapieerfolge. Es gibt verschiedene Formen der perkutanen Elektrolyse. Allen gemeinsam ist die durch Ultraschall gesteuerte Einbringung einer Nadel und der Einsatz von Gleichstrom. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Stromstärke, der entstehenden Gewebetemperatur, der Anwendungsdauer und der adressierten Indikationen. Die EPTE-Therapie, bei der eine Temperaturänderung im Gewebe nicht gewünscht ist, hat sich speziell bei Tendinopathien bewährt und gilt als „Sehnenspezialist“.

Neben oder auch alternativ zu den oben genannten werden in der Sehnensprechstunde weitere Therapieverfahren eingesetzt, die in der Praxis einen hohen Stellenwert haben:

  • Eigenbluttherapie: z.B. ACP (autologes conditioniertes Plasma), wobei Blut entnommen, aufbereitet und an den Ort der Sehnenbeschwerden injiziert wird.
  • Verödung von Gefäßneubildungen: z.B. an der Achillessehne unter Ultraschallkontrolle
  • Medikamentöse Therapie: z.B. Phytopharmaka wie Bromelain, Kurkuma oder Weihrauch (Boswellia)
  • Kryotherapie (Kältetherapie): lokale Anwendung von Kälte, v.a. in Eigenregie
  • Kinesiotaping: Einsatz von elastischen (bunten) Tapes z.B. bei Sehnenbeschwerden im Bereich der Schulter oder der Ferse
  • Akupunktur: schmerzreduzierende ergänzende Maßnahme; alternativ auch TENS- oder Ultraschalltherapie
  • Manuelle Therapie: als lokale Ergänzung und manchmal auch zur Beseitigung von Ursachen der Sehnenbeschwerden
  • Übungen zur Förderung der Kraft und Koordination: bildet oft die Grundlage für den Wiedereinstieg in den Sport und die Vermeidung von Rezidiven
  • Lokale Infiltration mit speziellen Sehnen-Hyaluronsäurepräparaten
  • Technikkorrektur/ -optimierung: wichtig z.B. bei Tennisspielern oder Golfern
  • Chirurgische Verfahren: Bei manchen Sehnenbeschwerden stellen operative Verfahren nach erfolgloser konservativer Therapie eine gute Alternative dar.

WELCHE URSACHE HABEN MEINE SEHNENBESCHWERDEN UND WIE BEUGE ICH VOR?

Muskuläres Ungleichgewichte erkennen und lösen Sehnenbeschwerden sind ein komplexes Krankheitsbild und verlangen ein differenziertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen. Vielfach gibt die Analyse von Bewegungsabläufen (wie z.B. ein Test auf dem Laufband) oder der manualmedizinische Befund Aufschluss über zugrundeliegende Ursachen wie muskuläre Ungleichgewichte oder gelenkbezogene Funktionsstörungen. Therapiebedürftige Begleitbefunde bei Achillessehnenbeschwerden sind Blockierungen der unteren Lendenwirbelsäule,

der Kreuzdarmbeinfugen, des Wadenbeinköpfchens und des oberen Sprunggelenkes. Bei Beschwerden des Ellenbogengelenkes (Tennis- oder Golferellenbogen) dürfen Blockierungen der unteren Halswirbelsäule, der 1.Rippe, des Speichenköpfchens und des Daumensattelgelenkes nicht übersehen werden.

Ernährung und Sehne

Ernährungstipps wurden noch vor wenigen Jahren belächelt. Qualitativ hochwertige Studien haben hier jedoch zu einem Umdenken geführt. Übergewicht wirkt sich auf verschiedenen Wegen negativ auf unsere Sehnen aus. Neben einer vermehrten biomechanischen Belastung der unteren

Extremitäten fördern auch entzündungsfördernden Signalproteine, die im Bauchfett gebildet werden, die Entstehung von Tendinopathien. Ebenso wirkt sich ein erhöhter Blutzuckerspiegel negativ auf die Sehnenstruktur aus. In den letzten Jahren sind zudem umfangreiche Studien durchgeführt worden, um zu erforschen, welche Mikronährstoffe einen günstigen Einfluss auf die Sehnengesundheit haben. Positive Wirkungen zeigten sich hierbei unter anderem für Omega-3-Fettsäuren, Hyaluronsäure, Polyphenole, Vitamin C, E und D, Glucosamin, Chondroitin,

Flavonoide und Antioxidantien. Schmerzhafte Schwellungen scheinen auf hydrolytische Enzyme wie Bromelain anzusprechen. Cucurmin hat auf

Sehnen außerdem eine anabole Wirkung (Anregung der Kollagensynthese). Außerdem reduziert die Einnahme von Cucurmin das Auftreten von Verkalkungen in den Sehnen. Sehr interessant sind auch Studien, die eine verbesserte Wirkung der fokussierten Stoßwelle bei gleichzeitiger

Einnahme von Bromelain und/oder von Kurkuma- und Weihrauchextrakten belegen. Hieraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen:

  1. Eine begleitende medikamentöse Therapie, die in ein Therapiekonzept eingebunden wird, kann einen therapiestützenden Effekt haben.
  2. Eine gesunde vollwertige Ernährung, die Mangelzuständen vorbeugt, ist nicht nur „allgemein gesundheitsfördernd“ sondern hat auch einen günstigen Einfluss auf die Gesundheit unserer Sehnen.


Fazit

Neue Therapien wie EPTE, aber auch physiotherapeutische Trainingsmaßnahmen und begleitende Medikamente ergänzen das Spektrum erfolgreicher Therapien. Goldstandard aber bleibt die Kombination aus fokussierter Stoßwelle und exzentrischem/isometrischem Training.

Unsere Autoren

Dr. med. Gerrit Borgmann, 

Dr. med. Tim Vogler, Dr. med. Ralph Schomaker 

vom Zentrum für Sportmedizin (ZfS) 

verstehen sich als Dienstleister, die sich 

dem Sport,  der Gesundheit und der Bewegung

in all ihren Facetten verschrieben haben.

Sehnensprechstunde im ZfS-Zentrum für Sportmedizin

Dr. med. Gerrit Borgmann, Dr. med. Ralph Schomaker,

Dr. med. Tim Vogler, Dr. med. Nina Boos

Windthorststr. 35, 48143 Münster, Tel. 0251-1313620

www.zfs-muenster.de

Artikel runterladen

Neuer Text

Meistgelesen

01 Sept., 2023
Im Alter von 6 Jahren wurde Anna H. aus Rhede chronisch nierenkrank. Ihr Leben war geprägt von Einschränkungen. Sie litt unter Bluthochdruck, Wasseransammlungen im Körper, Kopfschmerzen, Übelkeit und war auf die regelmäßige Einnahme verschiedener Medikamente angewiesen. Mit 22 Jahren musste sie dreimal wöchentlich an die Dialyse. Weitere zwei Jahre dauerte es, bis endlich eine Spenderniere zur Verfügung stand.
01 Sept., 2023
Ein Pflegefall tritt häufig sehr plötzlich ein. Die Angehörigen müssen schnell reagieren, wenn beispielsweise ein Elternteil gestürzt ist und nun mit eingeschränkter Mobilität aus dem Krankenhaus oder der Reha entlassen wird. Ist eine Versorgung zu Hause möglich und welche Unterstützungsangebote gibt es für die Pflege daheim? Benötigt man übergangsweise eine Kurzzeitpflege oder doch einen Platz im Pflegeheim? Und wie sieht es eigentlich mit der Kostenübernahme aus?
01 Sept., 2023
Das Team der Erlenbusch Praxis hat sich dem Ziel verschrieben, seine Patientinnen und Patienten nach neusten Standards der modernen Zahnmedizin zu behandeln. Das Team um Praxisinhaber Thomas Koch betrachtet jeden Patienten und seine Beschwerden ganz individuell und entwickelt darauf aufbauend ein maßgeschneidertes Behandlungskonzept.

Weitere Themen

01 Sept., 2023
Seit 2016 zeichnet die PVS Westfalen-Nord in zweijährigem Rhythmus Projekte aus, die Menschen helfen, gesund zu leben, die Präventionsarbeit betreiben oder Menschen bei der täglichen Bewältigung des Lebens in verschiedenen Regionen der Welt unterstützen. Die diesjährigen Gewinner – die „PVSocial Alltagshelden“ – wurden in der Waschküche der ALEXIANER in Münster ausgezeichnet. Neun der insgesamt zehn Preisträger waren bei der stimmungsvollen Verleihung der Preise anwesend.
01 Sept., 2023
„Für eine optimale Therapie von Rückenschmerzen ist es wichtig, dass die ausgewählten Therapien aufeinander abgestimmt sind und jede für sich in höchster Behandlungsqualität durchgeführt wird“, so Dr. Gerrit Borgmann vom ZfS-Zentrum für Sportmedizin.
01 Sept., 2023
Seit Juni 2016 widmet sich Dr. Stephanie Turchetto in ihrer Praxis im Kreuzviertel der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Fehlstellungen der Kiefer bzw. Zähne.
Share by: